Die Wartburg majestätisch auf dem Wartberg über Eisenach thronend

Symbol deutscher Geschichte und Kultur

Hoch über der Stadt Eisenach in Thüringen erhebt sich auf dem 411 Meter hohen Wartberg eine der bedeutendsten Burgen Deutschlands: die Wartburg. Als UNESCO-Welterbe seit 1999 anerkannt, verkörpert sie wie kaum ein anderes Bauwerk die wechselvolle deutsche Geschichte von der romanischen Zeit bis zur Neuzeit.

Die Wartburg ist nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern vor allem ein Ort von außergewöhnlicher kulturgeschichtlicher Bedeutung. Hier wirkten Persönlichkeiten, die die deutsche und europäische Geschichte nachhaltig prägten: die heilige Elisabeth von Thüringen, Martin Luther und die deutschen Burschenschaften des 19. Jahrhunderts.

Die Gründung und das Mittelalter

Die Wartburg wurde um 1067 von Graf Ludwig dem Springer gegründet, dem Stammvater der thüringischen Landgrafen. Der Legende nach soll er beim Anblick des Berges ausgerufen haben: "Wart', Berg, du sollst mir eine Burg werden!" – daher der Name Wartburg.

Unter den Thüringer Landgrafen entwickelte sich die Burg zu einem der glänzendsten Höfe des Heiligen Römischen Reiches. Besonders unter Hermann I. (1190-1217) erlebte die Wartburg ihre erste große Blütezeit. Der Landgraf war ein großer Förderer der Kunst und Literatur und machte seinen Hof zu einem Zentrum der höfischen Kultur.

"Hier auf der Wartburg ist mehr deutsche Geschichte gemacht worden als irgendwo anders."
— Kaiser Wilhelm II., 1896

Der legendäre Sängerkrieg

Um 1207 soll auf der Wartburg der berühmte Sängerkrieg stattgefunden haben, ein Dichterwettstreit zwischen den bedeutendsten Minnesängern ihrer Zeit. Walther von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach, Heinrich von Ofterdingen und andere Meister des Gesangs traten angeblich gegeneinander an.

Obwohl der historische Nachweis dieses Ereignisses nicht erbracht ist, wurde die Legende zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen Literaturgeschichte. Richard Wagner griff diesen Stoff in seiner Oper "Tannhäuser" auf und machte die Wartburg dadurch auch musikalisch unsterblich.

Die heilige Elisabeth von Thüringen

Eine der bedeutendsten Gestalten der Wartburg-Geschichte ist die heilige Elisabeth von Thüringen (1207-1231). Als Tochter des ungarischen Königs Andreas II. kam sie bereits im Alter von vier Jahren auf die Wartburg, um mit dem späteren Landgrafen Ludwig IV. verlobt zu werden.

Elisabeth widmete ihr Leben der Caritas und der Fürsorge für die Armen und Kranken. Nach dem Tod ihres Mannes im Kreuzzug 1227 wurde sie von der Wartburg vertrieben, setzte aber ihre Wohltätigkeit in Marburg fort. 1235 wurde sie heiliggesprochen und ist bis heute eine der populärsten Heiligen Deutschlands.

Das Rosenwunder

Die bekannteste Legende um die heilige Elisabeth ist das Rosenwunder: Als sie heimlich Brot zu den Armen bringen wollte und von ihrem Schwager kontrolliert wurde, verwandelten sich die Brote in ihrem Korb wundersam in Rosen. Diese Legende symbolisiert ihre Heiligkeit und Nächstenliebe.

Martin Luther auf der Wartburg

Die wohl berühmteste Episode der Wartburg-Geschichte begann am 4. Mai 1521, als Martin Luther nach dem Wormser Reichstag auf der Burg Zuflucht fand. Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen hatte den Reformator zum Schein entführen lassen, um ihn vor der Reichsacht zu schützen.

Unter dem Decknamen "Junker Jörg" lebte Luther zehn Monate auf der Wartburg und übersetzte in dieser Zeit das Neue Testament ins Deutsche. Diese Übersetzung revolutionierte nicht nur die deutsche Sprache, sondern machte die Bibel erstmals für das einfache Volk verständlich.

Die Lutherstube

Luthers Aufenthaltsort auf der Wartburg, die sogenannte Lutherstube, ist heute eine der meistbesuchten Gedenkstätten der Reformation. Der Raum ist noch weitgehend original erhalten und vermittelt einen authentischen Eindruck von Luthers Lebensbedingungen während seines Aufenthalts.

Hier entstanden nicht nur die Bibelübersetzung, sondern auch zahlreiche Schriften, Briefe und Predigten. Luther selbst bezeichnete diese Zeit als seine "Patmos" – eine Anspielung auf die Verbannung des Apostels Johannes, der auf der Insel Patmos die Offenbarung schrieb.

Das Wartburgfest von 1817

300 Jahre nach dem Thesenanschlag versammelten sich am 18. Oktober 1817 etwa 500 Studenten und Professoren deutscher Universitäten auf der Wartburg zum ersten Wartburgfest. Anlässlich des Reformationsjubiläums und des vierten Jahrestags der Völkerschlacht bei Leipzig demonstrierten sie für deutsche Einheit und bürgerliche Freiheiten.

Das Wartburgfest gilt als wichtiger Meilenstein der deutschen Demokratiebewegung. Die Teilnehmer verbrannten öffentlich reaktionäre Schriften und forderten eine Verfassung für Deutschland. Obwohl das Fest friedlich verlief, führte es zu verschärften repressiven Maßnahmen der deutschen Fürsten.

Architektur und Baugeschichte

Die heutige Gestalt der Wartburg ist das Ergebnis einer umfassenden Restaurierung im 19. Jahrhundert unter Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach. Der Architekt Hugo von Ritgen führte die Arbeiten von 1853 bis 1890 durch und schuf dabei eine romantisierende Interpretation mittelalterlicher Architektur.

Das Herzstück der Anlage bildet der romanische Palas aus dem 12. Jahrhundert, einer der besterhaltenen Profanbauten der Romanik in Deutschland. Der dreigeschossige Bau beeindruckt durch seine monumentalen Ausmaße und die reiche architektonische Ausstattung.

Die wichtigsten Bauteile der Wartburg

Der Palas

Romanischer Hauptbau aus dem 12. Jahrhundert mit dem berühmten Festsaal

Der Bergfried

Mächtiger Hauptturm als Symbol der Macht der Landgrafen

Die Torhalle

Befestigter Eingang mit gotischen Elementen

Die Neue Kemenate

19. Jahrhundert-Bau mit den Elisabeth-Mosaiken

Kunstschätze und Sammlungen

Die Wartburg beherbergt bedeutende Kunstsammlungen, die verschiedene Epochen deutscher Kultur widerspiegeln. Besonders hervorzuheben sind die Elisabeth-Mosaiken von August Oetken in der Neuen Kemenate, die das Leben der heiligen Elisabeth in leuchtenden Farben darstellen.

Der Festsaal im Palas gilt als einer der schönsten säkularen Räume des Mittelalters in Deutschland. Die Wandmalereien von Moritz von Schwind aus dem 19. Jahrhundert zeigen Szenen aus der Wartburg-Geschichte und dem Sängerkrieg.

UNESCO-Welterbe und moderne Bedeutung

1999 wurde die Wartburg in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen. Die Begründung würdigte die Burg als "herausragendes Monument der feudalen Periode in Mitteleuropa" und betonte ihre Bedeutung als Ort der deutschen Geistes- und Kulturgeschichte.

Heute empfängt die Wartburg jährlich über 350.000 Besucher aus aller Welt. Sie ist nicht nur Museum, sondern auch lebendiger Kulturort mit Konzerten, Ausstellungen und wissenschaftlichen Tagungen. Die Wartburg-Stiftung sorgt für die Erhaltung des Baudenkmals und die Vermittlung seiner Geschichte.

Die Wartburg in Kunst und Literatur

Kaum eine deutsche Burg hat Künstler und Schriftsteller so inspiriert wie die Wartburg. Richard Wagner machte sie in seinem "Tannhäuser" weltbekannt, E.T.A. Hoffmann beschrieb sie in seinen Erzählungen, und unzählige Maler vom 19. Jahrhundert bis heute haben sie porträtiert.

Auch in der deutschen Romantik spielte die Wartburg eine zentrale Rolle als Symbol für die Sehnsucht nach der mittelalterlichen Vergangenheit und als Ort deutscher Identitätsfindung. Die Brüder Grimm sammelten hier Märchen und Sagen, die zur deutschen Volksliteratur wurden.

Meilensteine der Wartburg-Geschichte

1067
Gründung der Wartburg durch Ludwig den Springer
1207
Ankunft der heiligen Elisabeth auf der Wartburg
1207
Legendärer Sängerkrieg auf der Wartburg
1521-1522
Martin Luther übersetzt das Neue Testament
1817
Erstes Wartburgfest der deutschen Burschenschaften
1999
Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste

Besuch der Wartburg heute

Die Wartburg ist ganzjährig für Besucher geöffnet und bietet verschiedene Führungsangebote. Besonders empfehlenswert sind die thematischen Führungen zu Martin Luther, der heiligen Elisabeth oder zur Architektur der Burg. Der Aufstieg zur Burg kann zu Fuß über historische Pfade oder mit dem Auto erfolgen.

Höhepunkte eines Besuchs sind die Lutherstube, der Festsaal, die Elisabeth-Kemenate und der Bergfried mit seinem spektakulären Ausblick über das Thüringer Land. Das Wartburg-Museum vermittelt mit hochwertigen Exponaten und modernen Medien die tausendjährige Geschichte der Burg.